Vom Wertverlust der Dinge

Paradoxon einer neuen Welt

Komplette Kaffee- und Essservice von namhaften Porzellanmanufakturen werden zu Ladenhütern in Antiquitätenhäusern. Biedermeier Semainier, Meißener-Porzellan und Barock Schränke – Dinge, die sich in grauer Vorzeit längst nicht jeder leisten konnte, sind heute oft kostengünstiger als neue Ware. Der Wertverlust wird nicht selten bis zu 80% ohne Betrachtung der Inflation geschätzt. Dinge der Wohnkultur erleben nicht nur einen enormen Wertverlust, sondern die Antikhäuser sind voll mit diesen Dingen, und immer weniger wollen sie haben!

Verdrehte Welt
Der aktuelle Trend von Nachhaltigkeit, ressourcenschonender Umgang, Upcycling, Zero Waste und SlowFashion ist überall präsent. Paradox: da wird auf der einen Seite mit immer scheinbar neuen Konzepten um den Erhalt der Welt gekämpft und auf der anderen Seite der parallel verlaufende Trend: Dinge werden, die nach Jahrzehnten langem Gebrauch nichts von ihrer Funktionstüchtigkeit eingebüßt haben, verschmäht und als nahezu wertlos erklärt.

Der Markt wird seit einigen Jahren von Dingen überflutet, die in vielen Familien jahrelang einen besonderen Platz in der Wohnkultur einnahmen. Hatte die Nachkriegsgeneration nämlich in vielen Fällen noch den Ehrgeiz, ein ganzes Zimmer mit Biedermeiersekretär, Jugendstil Vertiko und Louis-Seize Kommode einzurichten und dies als Investition für das ganze Leben zu sehen (übrigens gelebte Nachhaltigkeit, ohne es als solches zu betiteln!), können die Nachkommen mit dieser Art der Ausstattung nur noch wenig anfangen. Die Erbgeneration will sich kaum mehr in solcher Weise abhängig von einer bestimmten Wohnungseinrichtung machen. Angesichts veränderter Lebens-, Wohn- und Arbeitswelten, die heute u.a. viel mehr Umzüge erfordern als früher, müssen sich Dinge den Lebensumständen anpassen.

Zwar gibt es da einige Cafés der alternativen Szene mit Plüschsofa und geblümter Kaffeekanne. Der Erwerb von antiken Dingen für die alltägliche Wohnkultur bleibt jedoch flächendeckend aus. Obgleich des weitverbreiteten Klagens, dass Geld immer knapper wird: in der heutigen Studentenwohnung finden doch eher neue Designermöbel Einzug als Omas Küchenbuffet und Essservice mit Goldrand. Eine weitgehend minimalistische Wohnungseinrichtung sind heute en vogue, nicht altertümlich anmutende Schränke und Gegenstände.

Megatrend Secondhand
Der Megatrend Secondhand scheint an vielen Antikhäusern vorbei zu gehen oder aber man glaubt Experten, die meinen “der einzige Trend bei Secondhand ist das Reden über einen angeblichen Trend”.
Die Idee, gebrauchte Dinge weiter zu verkaufen bzw. zu nutzen, ist nicht neu. Flohmärkte, Kleiderbörsen und Co. gib es schon lange und ist keine Erfindung der aktuellen Zeit. Doch selten gab es so viele Möglichkeiten wie heute, Gebrauchtes loszuwerden – vor allem im Internet. Und auch die Retro- und Vintagewelle wird wohl weniger durch Nachhaltigkeitsaspekten angetrieben, als vielmehr davon, den Megatrend Individualismus zu bedienen: Menschen, die keine Lust haben, alle gleich auszusehen, nutzen Secondhand zur kreativen Umsetzung individueller Kleidung.

Fazit
Die Wertschätzung der Dinge haben sich verändert. Einer Generation, die ein derartiges Phänomen des Paradoxons entwickelt, geht es entgegen vieler Meinungen zumindest materiell wohl eher gut.

Tipp: Crossover
Kenner kombinieren gerne bei der Wohnungseinrichtung Antiquitäten mit modernen Möbelstücken. „Crossover“ heißt das im Fachjargon. Eine Idee, die nicht nur dem Geschäft mit den alten Möbeln in Zukunft vielleicht doch wieder neuen Elan verleihen könnte, sondern auch gelebte Nachhaltigkeit ist.

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P.S.: Bitte beachten Sie: Aufräumen ist ein individueller Prozess. Welche Dinge in Ihrem persönlichen Umfeld verbleiben oder von welchen Sie sich trennen wollen, obliegt einzig und allein Ihnen.